Gedichte und Verdichtetes
»Das schönste Gedicht besteht nur aus Versen; die Verse aus Wörtern; die Wörter aus Silben; die Silben aus einzelnen
Lauten. Diese müssen nach ihrem Wohlklange oder Übelklange geprüft, die Silben gezählt, gemessen und gewogen, die Wörter gewählt, die Verse endlich geordnet und aneinandergefügt
werden.«
(August Wilhelm Schlegel, Briefe über Poesie, Silbenmaß und Sprache)
Wenn mein Leben Flügel hätte, ...
Wenn mein Leben Flügel hätte,
würd ich sie benutzen.
Flög mit jedem um die Wette,
ließ sie mir nicht stutzen!
Tausend Flüge würd ich starten,
Gäste wären gern gesehn.
Müssten
jedoch länger warten,
würden bei mir Schlange stehn.
Nähm sie mit in ferne Welten,
zeigte ihnen meine Sicht.
Ihre Meinung ließ ich gelten,
doch mich änderten sie nicht!
Würde dann für mich entscheiden,
wie weit meine Reise geht.
Jeder, der das nicht kann leiden,
wird vom Fahrtwind fortgeweht.
Hinter all den Flügen stünde,
viel mehr als man je versteht.
Denn ich habe meine Gründe:
Alles Leben kommt und geht!
Und am Ende jeder Reise,
auf dem Landeplatz der Zeit,
warten auf mich viele Preise,
machen mir mein Herz ganz weit!
Der Garten ist auch zur Winterzeit ein unerschöpflicher Quell für Naturbeobachtungen.
Ein Spatz sitzt in einem Futterhaus
und pickt die besten Körner raus.
Da kommt die Meise angeflogen
und sagt: „Du hast uns angelogen.
Du sagtest doch, hier gäb es nix.
Nun mach aber ein bisschen fix,
verdünnisiere dich von hier
und still woanders deine Gier!“
Der Spatz hat sich davongestohlen,
sagt noch: „Ich werd die Amsel holen!
Wir kämpfen um den Futterplatz!“
Die Amsel ist ein Freund vom Spatz,
sie sitzt schon auf der Brombeerhecke
und ruft: „Ich mach euch gleich zur Schnecke
und hole meinen Amselvater!“
Die Meise droht: „Ich hol den Kater,
der reißt euch alle Federn aus
und schickt euch mit der Post nach Haus!“
Zum Glück kommt es nicht zum Desaster
und keiner braucht zum Trost ein Pflaster.
Der Eigner von dem Futterhaus,
der leert noch ein paar Tüten aus,
er füllt das Futterhaussystem
und löst damit das Streitproblem.
Und Amsel, Meise und auch Spatz,
die teilen sich den Futterplatz.
Große Augen, bernsteinfarben,
schauen wach in unsre Rund.
Braunes Fell und lange Läufe,
du bist der perfekte Hund.
Wer dein Wesen kennt, der liebt dich,
böse Taten kennst du nicht.
Du bist immer ausgeglichen
und der beste Hund für mich.
Wo du bist, da freut sich jeder,
streichelt dich und spielt mit dir,
will dich an sein Herz nur drücken.
Bleib für alle Zeit bei mir!
Der Schneckerich und der Igel
Ein Schneckerich zum Igel spricht:
„Ich schmecke dir ganz sicher nicht.
Ich sondre ab ganz fiesen Schleim,
Drum ziehe fort, lass mich allein!“
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Ein Happ, ein Schmatz, ein kurzer Schleck,
und schon ist unsre Schnecke weg!
Das Große der Welt zeigt sich im Kleinen
Der Garten ist mein Jagdrevier
nach wirklich kleinen Dingen,
nach Pflanzen oder Kleingetier,
die der Natur entspringen.
Ich schleich mich raus bis zu der Hecke,
die an die weiße Birke schließt
und stelle dort mich an die Ecke,
ob da sich etwas mir erschließt.
Ich brauche auch nicht lang zu warten,
da sehe ich Bewegung schon.
Ein Wunder ist mein kleiner Garten,
und Geduld mein höchster Lohn.
Ein Rüsselkäfer kommt gekrochen
aus der Rinde tastend vor.
Als hätt´s der Herrgott mir versprochen!
Ich bin ganz Auge, bin ganz Ohr!
Als ob´s im Drehbuch stehen würde
kommt angerauscht ein kleiner Spatz
und nimmt, den Kopf hoch, voller Würde
dicht hinter meinem Käfer Platz.
Er wetzt den Schnabel, macht sich lang.
Ich denke schon, ich seh nicht recht,
mir wird vom Zuschauen ganz bang.
Der Spatz benimmt sich wie ein Specht.
Er muss es auch, denn unser Opfer
versteckt sich hinter einer Rinde.
Der Spatz, er wird zum Rindenklopfer!
Wie erklärt er´s nur seinem Kinde?!
So abgebrüht und voller Tücke,
das hat der Spatz noch nicht gesehn!
Der Käfer sitzt in einer Lücke,
sein Leben wird wohl weitergehn.
Ich lache auf und bin zufrieden,
was den kleinen Spatz erschreckt,
er fliegt empor sehr unzufrieden.
Der Käfer aber bleibt versteckt.
So ist es, wenn im Garten ich
nach kleinen Dingen schaue.
Das Drehbuch, das ist nur für mich,
auf die Natur ich baue!
Beobachtung in einem Garten!
Frau Amsel spricht zum Amselvater:
„Pass auf, dort unten sitzt der Kater!
Er hat sich heimlich rangestohlen
und will gleich unsre Kinder holen.“
Und richtig! Mit Elan und Schwung
setzt der Kater an zum Sprung.
Klettert an des Baumes Rinde
hoch zu einem Amselkinde.
Die Amselmutter sagt zum Vater:
„Flieg hin und kämpfe mit dem Kater!
Sei mutig, mach ihm den Garaus
und pick ihm beide Augen aus!“
Der Vater fliegt ´ne volle Breite
dem Kater in die linke Seite.
Schon sieht man Fell und Federn fliegen.
Wer wird bei diesem Kampf wohl siegen?
Die Schwerkraft ist´s, die hier obsiegt.
Der Vogel ganz nach oben fliegt.
Das Katzentier, wie´s ihm geboten,
landet sanft auf seinen Pfoten.
Es wundert sich und dreht sich um.
„Nicht gut gelaufen“, denkt es, „dumm!“
Das Amselkind hat von dem Zank
nichts mitbekommen, Gott sei Dank!
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